Bereits mehrere tausend Kilometer ist der Wandergeselle Dominik seit Beginn seiner Reise am 29. Februar dieses Jahres durch Deutschland gereist. Aufgrund der Corona-Pandemie gestaltet sich die Arbeitssuche schwieriger als erwartet. Deshalb freut es Brauer umso mehr, im Riedenburger Brauhaus eine dreimonatige Anstellung gefunden zu haben.
„Tatsächlich ist das hier meine erste Stelle als Wanderbrauer, denn wegen Corona sind die meisten Brauereien mit Anstellungen eher zurückhaltend“, erzählt der 23-Jährige, der seinen
Nachnamen zu Beginn seiner Wanderschaft abgelegt hat. Dafür habe er im Frühjahr Arbeit in einem Hopfengarten in der Hallertau gefunden, weil die Gastarbeiter nicht kommen durften. „Ich habe zehn
Stunden am Tag Hopfen angeleitet und das sieben Tage die Woche. Das war ein richtiger Knochenjob.“
Auch wenn er die gleichen Arbeiten wie seine Brauerkollegen verrichtet, sticht der Wandergeselle optisch sofort heraus: Denn während die regulären Mitarbeiter einheitliche T-Shirts mit dem
Unternehmenslogo tragen, trägt Dominik seine schwarz-weiße Kluft mit dem für das Lebensmittelhandwerk typischen Pepita-Muster. Ein weiteres Erkennungsmerkmal ist sein Ohrring in Form eines
Brauersterns. „Damit wurde ich auf mein Wanderversprechen festgenagelt“, erklärt er diesen Brauch. Und noch eine Besonderheit unterscheidet Dominik von seinen Kollegen: Man sieht ihn niemals mit
einem Handy am Ohr, denn der Besitz derartiger Kommunikationsgeräte ist während der Wanderjahre strikt verboten (siehe auch Hintergrundinfo).
Auch wenn Dominiks momentaner Berufsstatus ungewöhnlich wirken mag, begann sein Einstieg ins Berufsleben ganz klassisch: Nach dem Abitur hat er sich für eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer im
niederbayerischen Pfeffenhausen entschieden. „Mich hat schon immer interessiert, wie man aus nur vier Zutaten ein so wahnsinnig breites Spektrum an Bier herstellen kann“, begründet der 23-Jährige
seine Berufswahl. Ausgelernt hat er im Sommer 2018, gut eineinhalb Jahre später brach er seine Zelte in der Heimat ab und begab sich auf Wanderschaft.
Doch was bringt einen jungen Brauer dazu, seine feste Arbeitsstelle aufzugeben, sich jeglichen Komforts zu entbehren und sich auf eine Reise mit ungewissem Verlauf zu begeben? Dominik hat darauf
eine klare Antwort: „Jetzt bin ich jung und gesund. Geld verdienen kann ich später auch noch.“ Deutschland und die Welt will er sehen. Vielen Brauern möchte er begegnen und sich in seinem
Handwerk weiterbilden. „Oft sieht ein Brauer während seiner gesamten Berufsjahre nur drei, maximal vier Betriebe. Das reicht mir nicht. Ich will mehr“, erklärt er.
Und genau dieses „mehr“ geht bei den Wandergesellen mit einem „weniger“ einher. Ohne Luxus auskommen zu müssen, lasse einen wieder das Wesentliche sehen. „Wenn ich mir eine Unterkunft suchen oder
per Anhalter fahren muss, muss ich zwangsläufig mit den Leuten reden. Man kommt wieder viel mehr mit seinen Mitmenschen in Kontakt“, sagt Dominik. „Außerdem kommt man an Ecken, die man sonst nie
sehen würde. Und diese sind oft die schönsten.“
Für den Brauereichef Maximilian Krieger ist Dominik bereits der zweite Wandergeselle, den er seit 2015 beschäftigt. „Wenn wir gerade Bedarf haben, beschäftigen wir gerne Wanderbrauer. Sie bringen
eine gewisse Erfahrung mit, weil sie verschiedene Arbeitsweisen kennen und viele unterschiedliche Brauereien gesehen haben“, sagt Krieger.
Wohin es Dominik auf seiner Reise führen wird, ist noch ungewiss. „Wer Pläne macht, wird ausgelacht“, sagt der Wandergeselle mit einem Lachen. Aber nach Südamerika möchte er auf jeden Fall, sagt
er. Denn vor allem nach Chile und Argentinien seien viele deutsche Brauer ausgewandert. „Ich hoffe, dass ich dort wo unterkommen kann – auch ohne Spanischkenntnisse.“ Ganz ohne Plan, aber dennoch
mit einem Ziel vor Augen.
Hintergrundinformation
Um die Welt derart bereisen zu können, muss man mindesten 18, aber höchstens 30 Jahre alt sein. Man muss unverheiratet, kinderlos, ohne Schulden und frei von Vorstrafen sein. Die Wanderschaft soll nicht als Flucht vor Verantwortung genutzt werden. Außerdem braucht man einen Altgesellen, der schon mindestens ein Jahr auf Wanderschaft ist.
Eine Wanderschaft dauert mindestens drei Jahre und einen Tag. Wie lange ein Geselle darüber hinaus unterwegs ist, entscheidet er selbst. Diese mitteleuropäische Tradition gibt es seit über
800 Jahre und wird von den Wandergesellen selbst organisiert, stets unter strenger Einhaltung der Wanderregeln. Der Wandergeselle
- darf kein Geld für die Unterkunft ausgeben. Er muss einen kostenfreien Unterschlupf finden (oftmals in Kombination mit einer Anstellung) oder er muss unter freiem Himmel nächtigen.
- darf kein Geld für Fortbewegung ausgeben. Er muss entweder zu Fuß gehen oder per Anhalter fahren. Geld darf ausschließlich für interkontinentale Flüge ausgegeben werden.
- darf keinen Koffer oder Rucksack mit sich führen. Seine wenigen Habseligkeiten wickelt er lediglich in Tücher.
- darf kein kommunikationsfähiges Endgerät (Telefon, Laptop etc.) besitzen.
- muss stets seine Kluft in der Öffentlichkeit tragen.
- darf maximal drei Monate an ein- und demselben Unternehmen arbeiten.
- darf sich seinem Heimatort nur bis auf 50 Kilometer nähern.
- muss sich stets tadellos benehmen.
Etwa die Hälfte der Wandergesellen gehört handwerkstypischen Vereinigungen, den sogenannten Schächten, an. Insgesamt gibt es acht Schächte – von den Rechtschaffenden fremden Maurern und
Steinhauern über die Rechtschaffenden fremden Zimmerer und Schieferdecker bis hin zu den Vereinigten Löwenbrüdern und Schwestern Europas. Letztere wurden erst 2016 gegründet und schicken
ausschließlich Gesellen und Gesellinnen aus dem Lebensmittelhandwerk los. Nur drei Schächte nehmen Frauen auf.
Die andere Hälfte der Wandergesellen ist freireisend und gehört keinen Schächten an. Insgesamt gibt es in Deutschland aktuell rund 500 bis 600 Wandergesellen, 15 bis 20 Prozent davon sind
Frauen.
Autoreninfo
Geschrieben von: Katrin Trattner
Veröffentlicht am: 10.09.2020
Katrin Trattner arbeitet seit Juli 2019 beim Riedenburger Brauhaus und ist als Pressesprecherin für den Öffentlichkeitsauftritt der Brauerei zuständig.